Vergleichsschluss aufgrund von Fehler des Rechtsanwalt geplatzt – Haftung?

Meet Dr. Thomas Schulte

Dr. Schulte ist Jurist und betreut als leitender Vertrauensanwalt mehrere große juristische Projekte (2007 Beitrag in Zeitschrift Capital: “große Erfahrung”) und gilt allgemein als Strategieberater für Erfolg durch das Internet (“Ihn fragt der Chef”, Handelsblatt 2012). Dr. Schulte gilt als einer der ältesten Anbieter für Reputation und Strategien (Handelsblatt, 2012).

Rechtsanwalt Dr. Schulte, Berlin
Dr. Thomas Schulte

Strategiebrater / Jurist

Schlechtleistung des Rechtsanwaltes – Vergleichsabschluss geplatzt

Familienunternehmen wackelt durch sechsstellige Klage

Mathias S. aus Hamburg sah sich mit seinem Familienunternehmen einer Klage über mehrere hundertausend Euro ausgesetzt (Fall fiktiv, aus Illustrationszwecken dargestellt). Die Klage verlor er, weil das Gericht für ihn tragende Argumente verdreht hatte. Seinem Anwalt Dr. A war insoweit kein Vorwurf zu machen. Er gab diesem deshalb den Auftrag zur Einlegung und Begründung einer Berufung, kündigte aber an, selbst auch Vergleichsgespräche mit dem Gläubiger anzustreben. Er würde seinen Rechtsanwalt darüber informieren, was er telefonisch dann auch tat, indem er ankündigte, dass der gegnerische Rechtsanwalt sich mit einem konkreten Vergleichsangebot alsbald an ihn wenden würde.
Rechtsanwalt Dr. A. war nach dieser –scheinbar auch noch erfolgreichen- Eigenmächtigkeit seines Mandanten auf diesen nicht besonders gut zu sprechen. Deshalb verlor er die Sache etwas aus den Augen, und es verging eine Woche bis er am 26. Juni in seinem Spam-Ordner eine Mail des Gläubigeranwalts mit einem Vergleichsangebot vom 20. Juni vorfand. Rechtsanwalt Dr. A. war entsetzt und las noch einmal den ersten Satz der Mail „Nur bei Eingang einer Zahlung bis zum 30. Juni“ sei ein für seinen Mandanten günstiger Vergleich zu schließen. Das war knapp.
Hin- und her gerissen, und gelähmt im Schwall der Emotionen stieg ihm Schamesröte für die späte Entdeckung der Mail ins Gesicht und bevor er sich in seiner Pein entschließen konnte, die Email nun an Mathias S. weiterzuleiten, war bereits der Juli angefangen. Am 3. Juli hatte er dann endlich dem gegnerischen Anwalt gegenüber erklärt, er nehme das Vergleichsangebot an und informierte auch Mathias S. erstmalig.
Es scheitert der Vergleich wie voraussehbar.
Mathias S. will sich den Anwalt eigentlich vorknöpfen, beruhigt sich aber wieder und wird die Berufung abwarten.

Pustekuchen – Rechtsanwalt setzt noch einen oben drauf mit Fristversäumnis

Es kommt dann der Brief seines Rechtsanwaltes A. mit einem ablehnenden Beschluss des Berufungsgerichts und seiner Entschuldigung dafür, dass er überraschend die Berufungsbegründungsfrist versäumt hatte, was aber nicht zu erwarten gewesen wäre, da die Oberlandesgerichte in anderen Verfahren bei Vergleichsverhandlungen immer dafür eine Fristverlängerung. Er riet Mathias S. zu einer Rechtsbeschwerde. Diese wurde vom Bundesgerichtshof nachdrücklich kostenpflichtig zurückgewiesen.
Mathias S. wirft dem Rechtsanwalt Dr. A aus vorstehenden Gründen vor, durch die späte Entdeckung und die verspätete Weiterleitung der Mail erst nach Fristablauf des Vergleichsangebotes, jeweils für sich eine Pflichtverletzung begangen zu haben, die seinen Schadenersatzanspruch begründen.

Ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

In ähnlichen Fällen bestätigten Bundes- und Landesgerichte eine bestehende Anwaltshaftung.
Es besteht eine allgemeine Vertragspflicht des Rechtsanwalts, seinen Auftraggeber vor voraussehbaren und vermeidbaren Schäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 1988, 1079, 1080; BGH NJW 1993, 2797;).
Rechtsanwalt A. war entsprechend verpflichtet, im Rahmen seines Auftrages seinem Mandanten das Vergleichsangebot so rechtzeitig zu übermitteln, dass ihm keine Nachteile aus dem Zeitpunkt der Übersendung entstehen würden.

Anwalt darf sich bei Fristverlängerung nicht auf vergleichbare Rechtsprechung anderer Gerichte verlassen
Ein Rechtsanwalt könne sich nicht auf die Gewährung einer zweiten Fristverlängerung verlassen, auch wenn diese in einem Verfahren vor dem OLG Hamm einer Verlängerung trotz Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO gewährt wurde, so konnte und durfte der Rechtsanwalt nicht davon ausgehen, dass das im Fall von Mathias S. befasste Oberlandesgericht ebenfalls auf das Vorliegen der zwingenden Voraussetzung der Zustimmung des Prozessgegners verzichten würde Landgerichts Bonn ( Urteil vom 10.01.2014 – 15 O 189/13).
Die Folgen der unzulässigen Berufung hat Dr. A. zu vertreten.

Landgericht Bonn: Hohe Anforderungen an Rechtsanwaltssorgfalt
Auf Grund der Tatsache, dass eine Mailadresse im Briefkopf des Rechtsanwaltes Dr. A. angegeben ist, muss dieser auch sicherstellen, dass an diese Adresse gesendete Mails auch gelesen werden. Bei einem –wie üblich- eingesetztem Spamfilter hätte Rechtsanwalt A. pflichtgemäß nur gehandelt, wenn er den Spam Ordner zumindest täglich geprüft hätte.
Er hätte erkennen müssen, dass ein Vergleich nach der genannten Frist zum 30. Juni nicht mehr möglich sein würde. Obwohl er noch vier Tage Zeit gehabt hätte, den Vergleich abzuschließen bzw. seinen Mandanten zu informieren, hat er die Frist verstreichen lassen.
Die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwaltes werden noch erhöht, wenn ein Vergleichsangebot des Gegners zeitnah in Aussicht gestellt werde.

Sämtlicher Schaden ist umfänglich zu ersetzen

Der Schaden von Mathias S. besteht zunächst aus der Differenz zwischen dem, was er hätte an den Gläubiger und an die Gerichtskasse zahlen musste und was er bei Abschluss des Vergleiches hätte zahlen müssen.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde hat Rechtsanwalt Dr. A. zu ersetzen, da er schuldhaft die Berufungsbegründungsfrist verstreichen ließ, ohne eine Berufungsbegründung einzureichen. Diese Kosten hat der Anwalt Dr. A. im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht gem. § 249 BGB zu übernehmen.
Unterläuft dem Anwalt ein Fehler, aus dem seinem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist und besteht die berechtigte Aussicht, ihn durch einen Zweitprozess oder ein Rechtsmittel zu beseitigen, so hat der Anwalt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die dafür erforderlichen Aufwendungen zur Verfügung zu stellen. Insoweit handelt der Anwalt auf eigenes Risiko (vgl. BGH NJW 2000, 3560, 3562).
Mathias S. bekommt also auch die Kosten der Rechtsbeschwerde ersetzt.

Tipp – Zeitlicher Ablauf und sonstige Daten bei einem Unterliegen genau überprüfen

Ist das Kind in den Brunnen gefallen, sollte man die Anwaltstätigkeit auch insbesondere der zeitlichen Abläufe kontrollieren. Konkret heisst das, genau hinzusehen, wann der Rechtsanwalt die an mich weitergeleitete Mail erhalten hat und die anschließende Überlegung, ob die Zeitdifferenz zu lang erscheint und ob daraus ein Schaden entstanden ist.. Soweit dann eine Unsicherheit bleibt, wird empfohlen mit seinen Überlegungen einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Dieser kann Einsicht in die Gerichtsakten und auch die Handakte des vermeintlich schlechtleistenden Kollegen anfordern. Danach ist in jedem Falle eine abschließende Beurteilung möglich.

 

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