Die Macht der Bewertungsportale – Kritische Betrachtung der Rechtsprechung

Meet Dr. Thomas Schulte

Dr. Schulte ist Jurist und betreut als leitender Vertrauensanwalt mehrere große juristische Projekte (2007 Beitrag in Zeitschrift Capital: “große Erfahrung”) und gilt allgemein als Strategieberater für Erfolg durch das Internet (“Ihn fragt der Chef”, Handelsblatt 2012). Dr. Schulte gilt als einer der ältesten Anbieter für Reputation und Strategien (Handelsblatt, 2012).

Rechtsanwalt Dr. Schulte, Berlin
Dr. Thomas Schulte

Strategiebrater / Jurist

Bewertungsportal als Chance des kostenlosen Marketings

Das Internet eröffnet für die selbstständigen Berufe ganz neue Möglichkeiten der Präsentation bei Ihrer Zielgruppe. Ein Arzt kann sich beispielsweise so der Bewertung von Patienten unterwerfen. Soweit er überzeugt ist, dass solche Bewertungen für ihn günstig ausfallen, wird er sich in einem Portal anmelden, was teilweise nicht einmal kostenpflichtig ist. Dabei dürfte auch die Überlegung eine Rolle spielen, dass die Kollegen sich dort präsentieren, was im Umkehrschluss die Annahme bei Patienten hervorrufen könnte, dass er sich aus Gründen der Schlechtleistung an seinen Patienten nicht dem Urteil stellt.

Bewertungsportal macht nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen!

Es gibt es aber auch die andere Seite der Medaille. Selten ist im Leben etwas umsonst.

Die bereits entschiedenen Konstellationen lassen insgesamt erkennen, dass die Rechtsprechung den Portalbetreibern erheblichen Spielraum zubilligt. Vergessen wird dabei, dass den kriminellen Elementen der Branche damit eine Menge Möglichkeiten der Manipulation gegeben werden. Vor allem massive Auswirkungen wird solche Rechtsprechung haben, wenn sie weiterhin kein standardisiertes Verfahren der Überprüfung der Herkunft von Bewertungen fordert.

Was passiert, wenn der Portalbetreiber positive Bewertungen einfach löscht, wenn negative Bewertungen eingestellt werden oder wenn auf der Webseite des Bewertungsportals Werbung der Konkurrenten direkt neben meiner Bewertung laufen oder?

Kann der Betroffene, falls er in bestimmte Portale nicht aufgenommen werden möchte, der Portalbetreiber diesen Willen aber nicht beachtet, überhaupt verhindern?

Dazu ist in den vergangenen Jahren von der Rechtsprechung viel Neuland betreten worden.

Einige der wichtigsten Fragen beantworten wir im Folgenden.

Bei Nichtvalidität einer positiven Eintragung kann diese gelöscht werden

Aktuell entschied das Landgericht München I (33 O 6880/18), dass ein Arzt die Löschung von positiven Bewertungen durch den Portalbetreiber bei Nichtbestätigung der Validität des Eintrags nicht verhindern kann. Dazu braucht er auch nicht angehört oder sonst informiert zu werden. Zur Verhinderung von Fake-Bewertungen sei es unumgänglich, dass die lernfähigen Prüfalgorithmen Betriebsgeheimnis blieben.

Es werden dem Portalbetreiber dabei Validitätstests im Geheimen zugebilligt, was nicht nachvollziehbar ist. Es wäre zumindest ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen zu fordern, das belegt, dass es diesen Prüfalgorithmus überhaupt gibt und dass dieser geeignet ist, die Validität mit ganz überwiegender Wahrscheinlich von einer nichtvaliden Eintragung zu unterscheiden.

Kritisch zu beachten ist im Urteil auch, dass eine nur geringe Auswirkung der Rechtsverletzung des bewerteten Arztes anzunehmen ist. Nach hier vertretener Ansicht verkennt das Landgericht, dass die Auswirkungen grundsätzlich sehr groß sein können. Im vorliegenden Falle mögen die angesetzten Kriterien ausreichend sein, doch eine Gemeingültigkeit des Rechts der Portalbetreiber kann daraus nicht abgeleitet werden. Es handelt sich schließlich um einen Eingriff mit direkter Auswirkung auf das operative Geschäft des bewerteten Arztes und damit um einen Eingriff in das Rechts des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Das Landgericht stützt sich hier auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser hatte im Urteil vom 01.03.2016 (Az: VI ZR 34/15) klargestellt, dass Bewertungen zu löschen seien, wenn der Verfasser auf eine Bitte um Stellungnahme zu einer Beschwerde im Hinblick auf eine Bewertung nicht reagiere.

Grundsätzlich bleibt weiterhin die Frage offen, warum keine Stellungnahme des Betroffenen Arztes eingeholt werden muss, bevor eine Löschung tatsächlich erfolgt. Der Arzt könnte dann anhand seiner Unterlagen gegebenenfalls feststellen, ob es sich um einen Patienten handelt. Die Begründung des Landgerichts trägt hier nicht. Denn schließlich ist der bewertete Arzt im Rahmen der Geschäftsbeziehung zum Portalbetreiber in seinen Grundrechten betroffen und es erscheint dem Portalbetreiber zumutbar und als mildestes Mittel, dem Betroffenen eine Stellungnahme zu ermöglichen. Dies muss nach hier vertretener Auffassung immer dann gelten, wenn eine Machtposition des Portalbetreibers gegenüber dem Nutzer erkennbar wird.

Da der vom Urteil betroffene Arzt gerade sein Premium-Paket gekündigte hatte und prompt „zufällig“ bei ihm eine Stichprobe gemacht wurde, welche die Löschung von 10 positiven Bewertungen zur Folge hatte, war er der Meinung, es hätte sich um einen Racheakt gehandelt. Auch dies sah das Landgericht anders. Der Arzt habe die Beweislast und könne das nicht beweisen. Eine Offensichtlichkeit sah das Gericht als nicht gegeben.

Der Arzt musste die Löschung der positiven Bewertungen letztendlich hinnehmen.

Zwangsweise Aufnahme in Bewertungsportal zulässig

Im Jameda-Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.09.2014, Az.: VI ZR 358/13) heißt es, das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung überwiege das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit nicht, so der BGH.

Der Portalbetreiber sei deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt.

Das Interesse der Öffentlichkeit überwiege hier, da gerade bei der ärztlichen Versorgung die freie Arztwahl wichtig sei. Dazu braucht es Informationen über den Arzt. Informationen im Internet seien daher vom öffentlichen Interesse gedeckt und die Löschung könne hier nicht verlangt werden. Der Arzt hatte die Löschung seines vollständigen Profils gefordert.

Unter Bezugnahme des § 13 Abs. 6 Satz 1 Telemediengesetzes (TMG) sei das anonyme Surfen und damit die Anonymität des Bewertenden auch kein Problem, da dies dem Internet immanent sei.

Unrichtige Tatsachenbehauptungen muss der Portalbetreiber entfernen

Soweit der Arzt dagegen unwahren Tatsachenbehauptungen ausgeliefert sei, sind diese selbstverständlich zu löschen. Dies gelte es nach allgemeinen Regeln der Abwehrrechte gegen rechtswidrige Behauptungen zu behandeln (OLG Hamm, Urteil vom 13.03.2018, Az.: 26 U 4/18).

Grenze der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Grundgesetz ist immer die Schmähkritik, so dass auch solche auf einem Portal entfernt werden muss.

Soweit Validität bestätigt – Negative Bewertungen haben Bestand

Soweit sich ergibt, dass die Vidalität des Eintrags gegeben ist, kann der Betroffene auch gegen negative Bewertungen nicht vorgehen.

Ist der Portalbetreiber mit der Behauptung eines Betroffenen konfrontiert, ein von einem Nutzer eingestellter Beitrag verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht, und ist die Beanstandung so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, so ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich.

Die im jeweiligen Fall betroffenen Grundrechte der Beteiligten verlange je nach Eingriff eine individuelle Gewichtung bei der Abwägung.

Der vom Betreiber eines Arztbewertungsportals verlangte Prüfungsaufwand darf den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren, hat aber zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzte beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind (Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.03.2016, Az.: VI ZR 34/15).

Werbung von Konkurrenten neben eigenem Profil gibt Löschungsrecht

In dem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.02.2018 (Az.: VI ZR 30/17) entschiedenen Fall wurde entgegen den Ausführungen im Jameda-Fall nun doch ein Löschungsrecht hinsichtlich eines Arztprofils zugebilligt. Dies sei so zu entscheiden, da der Portalbetreiber neben den Bewertungen seiner Leistung Werbung von Konkurrenten dulden müsse. Dies sei für den Betroffenen nicht hinnehmbar.

Im entschiedenen Fall sah der BGH die differenzierte Behandlung von zahlenden Ärzten, deren Werbung dann gesondert auch neben die Bewertung von Kollegen geschaltet werde, als rechtswidrig an. Hier überwog dann das schutzwürdige Interesse des Bewerteten.

Das Profil nicht zahlender Ärzte werde zu einer Werbeplattform zahlender Konkurrenten. Dadurch wahren Portalbetreiber nicht ihre Stellung als „neutraler“ Informationsmittler, wie es in den bisherigen zu entscheidenden Fällen war.

Im Grunde sagt der BGH aber nichts anderes, dass das Profil des eventuell auch gegen seinen Willen aufgenommenen Arztes nicht als Werbefläche der Konkurrenten genutzt werden darf, beschränkt hier also die Rechte der Portalbetreiber.

Der Portalbetreiber musste danach zu Recht das gesamte Profil der hier klagenden Ärztin löschen.

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