Passage-Ranking bei Google: Wie einzelne Absätze juristische Sichtbarkeit gewinnen
Ein juristischer Blick auf eine technische Revolution der Suchmaschine – von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt und Strategieberater, Berlin
Was ist das Passage-Ranking? Und warum sollten Juristen jetzt aufhorchen?
Google weiß, was Sie suchen – oder versucht es zumindest. Mit der Einführung des Passage-Rankings (auch Passage-Indexing genannt) hat Google seine Suchtechnologie auf ein neues Niveau gehoben: Statt nur ganze Seiten zu bewerten, analysiert die Suchmaschine nun gezielt einzelne Absätze, Textblöcke und Passagen, um Nutzern präzisere Antworten auf komplexe Fragen zu liefern.
Gerade im juristischen Bereich, in dem Informationen oft in langen, strukturierten Fachtexten verborgen liegen, ist das eine kleine Revolution. Wer etwa fragt: „Welche Rechte haben Kinder im Urheberrecht?“ oder „Darf ein Arbeitgeber WhatsApp-Nachrichten im Arbeitsverhältnis verwenden?“ – bekommt inzwischen nicht mehr nur eine allgemeine Seite angezeigt, sondern den konkreten Absatz, der diese Frage beantwortet. Ein Gewinn für den Leser. Und eine Herausforderung für alle, die Inhalte verfassen.
Von Stichwörtern zu semantischem Verstehen: die Evolution der Suchmaschinen
Früher galt: Wer bei Google sichtbar sein wollte, musste Keywords wiederholen, wie ein Mantra. „Rechtsanwalt Berlin Mietrecht“ reichte oft aus, um oben zu ranken. Doch die Zeiten stumpfer Keyword-Optimierung sind vorbei.
Google hat sich von einer Keyword-Maschine zu einem semantischen Versteher entwickelt. Mit Updates wie RankBrain (2015), BERT (2019) und inzwischen Passage-Ranking (seit 2021) versteht die Suchmaschine immer besser, was genau der Nutzer wirklich meint.
Besonders spannend: Passage-Ranking macht es möglich, dass ein einzelner Absatz auf Platz 1 ranken kann, selbst wenn der übergeordnete Text an sich gar nicht auf das Keyword optimiert ist. Entscheidend ist: Wird die konkrete Frage präzise beantwortet?
Beispiel gefällig? Juristische Inhalte mit neuer Kraft
Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Mandant sucht bei Google nach: „Wie lange ist ein Testament in Deutschland gültig?“
Früher wurde er auf 1.000-Wörter-Artikel mit dem Titel „Erbrecht in Deutschland“ weitergeleitet. Heute kann Google direkt den Abschnitt finden und anzeigen, indem steht: „Ein Testament bleibt bis zu seinem Widerruf oder der Errichtung eines neuen Testaments gültig.“
Oder ein Arbeitsrechtler erklärt in einem Nebensatz, dass „der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen Screenshots aus einem Chatverlauf als Beweis verwenden darf“ – genau dieser eine Satz kann demnächst prominent in den Suchergebnissen erscheinen. Juristische Sichtbarkeit wird granular.
Was bedeutet das für Juristen, Kanzleien und Fachautoren?
Passage-Ranking verlangt ein neues Denken: Nicht nur die Seite muss relevant sein, sondern jeder Absatz.
Das heißt konkret:
- Präzise Antworten formulieren auf typische Nutzerfragen
- Klare Strukturen mit Zwischenüberschriften schaffen
- Sprache vereinfachen, ohne an juristischer Tiefe zu verlieren
- Beispiele und Definitionen gut sichtbar in den Text integrieren
Wer diese Regeln beachtet, macht seine juristischen Inhalte zukunftsfest – und hilft gleichzeitig Mandanten, die gezielt nach Lösungen suchen.
Fazit: Das Recht hat jetzt einen direkten Draht zum Nutzer – Absatz für Absatz
Die juristische Welt lebt von Präzision – und genau diese Präzision wird mit Passage-Ranking belohnt. Wer sein Wissen klar, nachvollziehbar und suchmaschinenfreundlich vermittelt, wird sichtbarer, relevanter und prägender.
Für Juristen bedeutet das: Jeder gut geschriebene Absatz kann zum digitalen Schaufenster werden. Google liest mit. Aber mehr noch: Google versteht.
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt und Strategieberater, Berlin