Bundesgerichtshof im Urteil vom 7. März 2019 zur Anwaltshaftung
Nachträgliche Kündigungsgründe für das Mandat greifen nicht
Der erfolgreiche Unternehmer und Immobilienbesitzer Florian R. aus München (Daten geändert) denkt über den Ruhestand nach. Unter anderem beauftragt er deshalb den ihm bisher unbekannten Rechtsanwalt Sokrates H. mit zwei Vertragsentwürfen zur Übertragung zweier Grundstücke auf seinen Sohn.
Bereits in dem zweiten Gespräch in der Kanzlei des Rechtsanwaltes fragt sich Florian R., ob er mit der Wahl des Rechtsanwaltes wirklich eine gute Wahl getroffen hatte. Die Aussagen waren ihm deutlich zu schwammig. Er konnte sich nicht helfen, es beschlich ihn ein ungutes Gefühl.
Nachdem der Rechtsanwalt Sokrates H. sich in den nächsten beiden Wochen nicht meldete, es war von „alsbald melden“ gesprochen worden, verdichtete sich sein ungutes Gefühl und er kündigte den Vertrag.
Nach einer Woche übersandte Rechtsanwalt Sokrates H. ihm dann zwei Vertragsentwürfe, die sich nach kurzer Prüfung als steuerlich für die Familie von Florian R. äußerst ungünstige Variante erwiesen.
Nun stützt Florian R. seine Kündigung des Anwaltsvertrages auch auf die steuerlichen Nachteile, die ihm die vom Rechtsanwalt Sokrates H. übergebenen Verträge gebracht hätten.
Vorinstanzen halten das Nachschieben von Kündigungsgründen für möglich
Das Landgericht Berlin und anschließend das Kammergericht erklärten die Kündigung für rechtens. Eine am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 628 Abs. 1 Satz2 Bürgerlichen Gesetzbuches ergebe, dass auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon vorgelegen habe, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit nicht bekannt gewesen sei, die Kündigung im Sinne dieser Vorschrift veranlasst haben könne. Der wichtige Grund zur Kündigung des Anwaltsvertrages sei für Florian R. gegeben. Der Rechtsanwalt habe keinen Vergütungsanspruch.
Bundesgerichtshof entscheidet dienstvertraglichen Charakter des Mandats
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 7. März 2019 -IX ZR 221/18) hält in solchen Mandaten den dienstvertraglichen Charakter als wesentlich für gegeben und führt dazu aus.
Der zwischen den Parteien geschlossene Anwaltsvertrag stellt einen Dienstvertrag dar, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat. Dies gilt für die typischen Anwaltsverträge, welche die Beratung des Mandanten oder dessen Rechtsbeistand zum Gegenstand haben.
Ausnahmsweise kann der Anwaltsvertrag als Werkvertrag einzuordnen sein, wenn nämlich ein durch anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung des Rechtsanwalts bildet. Dies ist gewöhnlich dann der Fall, wenn der Anwalt es übernimmt, Rechtsauskunft über eine konkrete Frage zu erteilen oder ein schriftliches Rechtsgutachten anzufertigen (BGH, Urteil vom 20.Oktober 1964 -VIZR 101/63, NJW1965, 106).
Der Rechtsanwalt schuldet für die Beratung und auch den Vertragsentwürfen kein Ergebnis, sondern nur eine sach- und interessengerechte Bearbeitung. Er schuldet -neben den Vertragsentwürfen-darüber hinaus und in erster Linie die Beratung der Beklagten in den Angelegenheiten der geplanten Grundstücksübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Damit stellte die Dienstleistung in Form der Beratung das prägende Hauptmerkmal des zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrages.
Kündigung erfordert unmittelbaren Zusammenhang zum wichtigen Grund
Die Kündigung des Dienstverhältnisses ist nur dann durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst, wenn zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung war und sie diese adäquat kausal verursacht hat (so schon BGH, NJW 2018, 3513). Daher kann Florian R. sich nicht auf den ihm später bekannt gewordenen steuerlichen Nachteil der Verträge als Kündigungsgrund berufen (BGH, Urteil vom 7. März 2019, a.a.O.).
Vorarbeiten der Mandatsbearbeitung begründen keine Pflichtwidrigkeit
Die Vorarbeiten eines Anwalts, welche noch zu keinem Arbeitsergebnis geführt haben, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte, können eine Pflichtwidrigkeit nicht begründen, selbst wenn sie Fehler aufweisen (BGH, a.a.O.).
Daraus folgt, dass seine bei der ersten Überlegung für einen Lösungsweg geäußerte Einschätzung eines Rechtsanwaltes keinesfalls seine Haftung begründen kann.
Tipp – Trau schau wem! Bei der Anwaltswahl und der Mandatsformulierung
Um solche „schwammigen“ Rechtsanwälte gar nicht erst zum Zuge kommen zu lassen, wägen Sie die Gründe für die Wahl eines bestimmten Rechtsanwaltes vorher sorgfältig ab und bedenken Sie, dass Sie nur schwer aus der Bindung wieder herauskommen. Ein schlechtes Gefühl auf Grund der Herangehensweise des beauftragten Rechtsanwalts reicht nicht aus. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, bei der genauen Formulierung des Mandatsauftrages aufzupassen und die geschuldete Leistung des Rechtsanwaltes sorgfältig zu bezeichnen.